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Andrés Nuño de Buen: Leve

Leve = leicht/schwerelos auf Spanisch. Gezupfte Saitentöne assoziiere ich mit etwas Fallendem; etwas Festem, der Schwerkraft unterlegen. Das liegt bestimmt an ihrem schnellen Anschlag und kurzen Ausklingen, mit dem Aufprall eines fallenden Objekts vergleichbar. Die Vorstellung, dies in etwas Schwereloses, Federleichtes zu verwandeln, war schon vor dem Komponieren da – ich wollte Gitarrenklänge in etwas weniger Greifbares ‚verdunsten’ lassen. Und nicht nur die Klänge, sondern auch die Gestalten, die sie gemeinsam bilden, sollten sich im Laufe des Stücks verflüchtigen. Vom Konkreten, Handfesten ins diffus Schwebende kippte irgendwann aber ungeplant selbst die Gestalthaftigkeit des ganzen Stücks um. Was passiert dann? Nach zwei Aufführungen höre ich das Stück als ein Labyrinth aus schlichten, sich überschneidenden vertikalen und horizontalen Elementen, in dem ich irgendwann begreife, dass ich gefangen bin.

Andrés Nuño de Buen

Biographie

Andrés Nuño de Buen

Andrés Nuño de Buen (*1988 in Mexiko-Stadt) strebt mit seiner Musik eine unmittelbare Sinnlichkeit an, in der das Hören als direkte körperliche Berührung zwischen Außen- und Innenwelt im Mittelpunkt steht. Seine Stücke entstehen durch subtile Prozesse der Klanggestaltung und Umformung im haptischen Kontakt mit akustischen und computerprogrammierten Instrumenten. In der Musik von Nuño de Buen sind Töne sowohl Träger von harmonisch melodischer Energie als auch Auslöser physikalischer Phänomene. In “Alquitara” beispielsweise werden Stimmgabeltöne durch mitschwingende Glasflaschen verstärkt und als Sinus-Generatoren für eine Art von ‘rein akustischen Synthesizer’ verwendet, der 2021 im Lucerne Festival Forward von zwölf Spielern des Lucerne Festival Contemporary Orchestra zum Leben erweckt wurde. Für eine anstehende Zusammenarbeit mit dem Riot Ensemble entwickelt Nuño de Buen derzeit eine neue, elektromagnetisch gesteuerte Version dieses akustischen Synthesizers, die mit den Instrumentalklängen des Londoner Ensembles interagieren wird. Mehrere seiner Werke verwenden ähnliche Methoden mit akustischen und elektronischen Mitteln, um Objekte und Instrumente in Schwingung zu versetzen oder deren Klang zu verändern. Andrés Nuño de Buen studierte in Mexiko-Stadt und Karlsruhe, zunächst bei Wolfgang Rihm und Markus Hechtle. Seine Kompositionen wurden u.a. im Rahmen des Berliner Monats der zeitgenössischen Musik, der Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik, der Lucerne Festival Academy, des Festival Internacional Cervantino und des Juilliard Focus! Festival aufgeführt. Nuño de Buen erhielt zahlreiche Stipendien, u.a. von Institutionen wie der Akademie der Künste Berlin (INITIAL-Sonderstipendium 2021), dem Kultursekretariat Mexikos („Jóvenes Creadores“ Stipendium 2014, 2018, 2021) und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (Landesgraduiertenförderung 2017).

Andrés Nuño de Buen
© Daniela Tablada Garibay
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Davor Branimir Vincze: XinSheng

Die Geschichte von „XinSheng“ handelt von einer verworrenen Dreiecksbeziehung zwischen Andrei, einem Boxer, Fan, seiner Trainerin, und Anne, einer Chirurgin. Nachdem Andrei einen illegalen Boxkampf nur knapp überlebt hat, drängt Fan Anne, ihn mit einem experimentellen Medikament, „Xinsheng“, zu behandeln, das sein Leben retten wird, allerdings zu einem hohen Preis. Die Oper spielt in einer quasi-dystopischen Welt mit chaotischen Beziehungen, Verdrängungswettbewerb und medizinischen Missbräuchen und schildert das Aufeinanderprallen von persönlichen Gefühlen und beruflichen Verpflichtungen, die Opfer, die die Liebe fordert, und die paradoxen Überschneidungen von Intimität und Distanz.

 

Je weiter die Oper voranschreitet und je mehr wir über die komplizierten Geschichten der Figuren erfahren, desto schwieriger wird es zu erkennen, ob Fans Wunsch, Andrei zu retten, durch Zuneigung, berufliche Pflichten oder ihren eigenen finanziellen Vorteil motiviert ist. Gleichzeitig wird mit der Enthüllung der Tragweite von Annes Entscheidung, das Medikament zu verabreichen oder zurückzuhalten, unklar, ob ihre endgültige Entscheidung eine Geste der Liebe oder der Rache darstellt. Letztlich ist es vielleicht beides – ein Akt der Liebe, der selbst eine Form der Gewalt ist.

 

Die Musik ahmt diese emotionale Ambivalenz nach, indem sie das Publikum in dichte, vielschichtige und sich verändernde Texturen eintauchen lässt. In den nah aufgenommenen Keuchen, Röcheln und Knurren der Wut unterstreicht die Oper, dass Intimität auch distanzierend sein kann: Je näher die Oper ihren Figuren kommt, desto unpersönlicher und unangenehmer wird sie.

 

Wie die unschlüssige Erzählung schwankt auch die Musik von „Xinsheng“ zwischen den Extremen, ohne sich jedoch jemals ganz in einem von beiden festzusetzen. Die ersten Minuten, die Andreis fast tödlichen Kampf zeigen, sind hautnah und vereinen flatternde und knurrende Instrumentaltexturen mit den Geräuschen von Keuchen und Stöhnen, um den Klang eines in Not geratenen Körpers zu erzeugen. Während der gesamten Kampfsequenz bleibt die Musik unerbittlich gewalttätig, voller Basstrommelpulse, die den Klang von Andreis rasendem Herzschlag evozieren, und kreischenden Cello-Glissandi, die die Schreie der Zuschauer erahnen lassen.

 

Später, als das Drama von Andrejs Kampf von der Dramatik seiner Behandlung ersetzt wird, wird die Musik distanzierter und ätherischer. Als die Chirurgin Anne über Andreis Körper steht, werden ihre Überlegungen über die Schuld, die sie seiner Trainerin Fan schuldet – und in der Tat die Schuld, die Fan Anne schuldet -, in einer wunderschönen Kaskade von absteigenden Gesangslinien ausgedrückt, die von himmlischen Synthesizertexturen und spärlichen Zither-Dissonanzen begleitet werden. Während sie langsam zu ihrer Entscheidung kommt, verdichtet sich die musikalische Textur immer mehr und gipfelt in einem fast unerträglich intensiven Moment, bevor sie, scheinbar erschöpft, in einem Feld schwacher, hohler Harmonien zusammenbricht, die von hellen Klangpunkten unterbrochen werden. Je nachdem, wie wir Annes Entscheidung verstehen, könnte diese unheimliche Textur als Erholung von der zuvor ertragenen Gewalt oder als deren Apotheose verstanden werden.

Biographie

Davor Branimir Vincze

Davor Vincze (* 1983, Zagreb) setzt seinen künstlerischen Schwerpunkt auf Meta-Realität und musikalisches Mosaik. Inspiriert von Technologie und Science-Fiction sucht er nach verborgenen akustischen Räumen oder nach Möglichkeiten, das Reale und das Imaginäre zu verwischen, wobei er häufig Elektronik und KI-Tools einsetzt. Durch Mosaikarbeit (mehrfache Kopien fragmentierter Klanggesten) sucht Vincze nach fluiden Klängen, die nicht-binäre, mehrdeutige oder “androgyne” Interpretationen ermöglichen.

 

Nach seinem Medizinstudium in Zagreb änderte Davor seinen beruflichen Werdegang und studierte Komposition in Graz, Stuttgart, Ircam und an der Stanford University. Im Jahr 2014 gründete er ein internationales Festival für zeitgenössische Musik – Novalis. Letztes Jahr gewann sein Stück “XinSheng” den 2. Preis beim Stuttgarter Kompositionswettbewerb sowie das Noperas!-Stipendium, das es ihm ermöglichen wird, die Kurzoper zu einer Vollversion zu erweitern. Derzeit lebt er in Atlanta als Arts Fellow an der Emory University.

Davor Vincze
© Andrew Watts
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Rama Gottfried: Scenes from the Plastisphere

In den sich ansammelnden Plastikmüllzonen der Ozeane entsteht ein neues Ökosystem, das Wissenschaftler Plastisphäre nennen. Das ist zum Teil eine gute Nachricht, denn es scheint darauf hinzudeuten, dass sich das Leben auf der Erde möglicherweise anpassen wird, um die Ergebnisse menschlicher Nachlässigkeit zu integrieren; andererseits ist das daraus resultierende Ökosystem möglicherweise keines, das das Leben, wie wir es kennen, unterstützt. Scenes from the Plastisphere zeigt ein Musiktheater mit imaginären hybriden Kreaturen, die in und um die menschliche Kultur herum wachsen, sich mit organischen Körpern bewegen und mit digitalen Stimmen sprechen.

 

Als eine Art Fortsetzung von Apophänie (2016) entwickelt das Stück eine Performance-Umgebung, die aus mehreren Bewegungsebenen in verschiedenen Maßstäben besteht. Menschliche Darsteller in Originalgröße auf der Bühne sind mit biologischen Wesen verbunden, die in einem mikroskopischen Theater auftreten. Das Geschehen befindet sich direkt vor uns, aber jenseits unserer Sichtweite, wahrnehmbar nur durch unvollständige, angedeutete Informationen von der Bühne und die digital vergrößerte Klangverstärkung und Videoprojektion.

 

Durch eine Abfolge von kontrastierenden Blickwinkeln in der pseudo-organischen Miniaturumgebung entsteht eine Erzählung zwischen den mikroskopischen Einheiten. Die Organismen der Miniaturwelt werden innerhalb des virtuellen Ökosystems geboren, mutiert, absorbiert und verzehrt. Sie sind künstliche Bestandteile des Video-Instrumentariums und doch lebendig, zum Leben erweckt durch die klangliche Organisation und die Geste des Interpreten. Die Partitur für das Stück denkt musikalisch über die Lebensformen nach, die in den physischen Materialien erscheinen, aber das Material ist instabile organische Materie – um die im Material verborgenen Entitäten zu entdecken, müssen die Ausführenden die Verbindungen und entstehenden Muster in einem sich ständig verändernden Feld von Interaktionen erkennen.

Ein Auftragswerk der Ernst von Siemens Musikstiftung und der Philharmonie Luxembourg.

Rama Gottfried

 

Biographie

Rama Gottfried

Rama Gottfried (*1977 in New York) möchte mit seinen aktuellen Arbeiten unsere Sensibilität für das Beziehungsgeflecht schärfen, das Menschen und die anderen belebten und unbelebten Wesen, die uns umgeben, miteinander verbindet. Seine Stücke sind als szenografische Welten konzipiert – Körper mit Stimmen, die sich in physischen und immateriellen Umgebungen bewegen und interagieren, konstruiert aus den Medien der akustischen und elektronischen Instrumentalperformance, des Puppen-, Objekt- und Materialtheaters, des Live-Kinos und des ortsspezifischen Performancekontexts. Die Werke, die durch die Zusammenarbeit von menschlichen und nicht-menschlichen Darstellern zum Leben erweckt werden, versuchen, das Publikum und den physischen Raum zu absorbieren und erweitern auf subtile Weise unsere Wahrnehmung von Details.

Rama Gottfried wuchs in Burlington, Vermont, auf, wo er schon früh eine Ausbildung in Instrumental- und elektronischer Musik erhielt. Er besuchte Aufführungen des Bread and Puppet Theaters und entwickelte eine Praxis der bildenden Kunst, bevor er seinen Schwerpunkt auf Musikperformance und Komposition legte. Nach seinem Umzug nach New York City im Jahr 2001 schloss er sich dem Ensemble Pamplemousse an, mit dem er von 2003 bis 2013 zusammenarbeitete und neue Ansätze für die Verschmelzung von Klang, Installation und Performancekunst entwickelte.

Während seines Promotionsstudiums an der University of California, Berkeley, studierte Rama Komposition bei Franck Bedrossian und Computermusik bei David Wessel am Center for New Music and Audio Technologies (CNMAT). Zuvor absolvierte er Studien an der New York University, der Manhattan School of Music und der Universität der Künste Berlin, wo er bei Walter Zimmermann studierte.

Ramas Arbeiten wurden unter anderem beim Mostly Mozart Festival im Lincoln Center, bei MaerzMusik, SPOR, den Bludenzer Tagen zeitgemäßer Musik, MATA, Klangwerkstatt, rainy days und Ultima aufgeführt, und er hat Klanginstallationen für das Berliner Congress Center, Complice, Mino Washi Paper Museum, Stadtbad-Wedding und das Pacific Basin Building geschaffen.

Nachdem er 2017 zurück nach Berlin gezogen war, wurde Rama 2022 als Professor für zeitgenössische Computermusikpraxis an die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) berufen, wo er nun am Institut für Computermusik und Soundtechnologien (ICST) lehrt und interdisziplinäre Kunst- und Technologieforschung betreibt.

Rama Gottfried
© privat
Biographie

aleph Gitarrenquartett

Andrés Hernández Alba, Tillmann Reinbeck, Wolfgang Sehringer und Christian Wernicke arbeiten seit der Gründung des Aleph Gitarrenquartetts 1994 in intensiver Zusammenarbeit mit Komponist:innen, Toningenieur:innen und Akustiker:innen daran, die musikalische Sprache und die Spieltechniken des 20. und 21. Jahrhunderts für ihre Besetzung voranzubringen. Mittlerweile ist so ein umfangreiches, neues und zukunftweisendes Repertoire für klassische Gitarre entstanden, das fortwährend erweitert wird. Viele Werke, u.a. von Mathias Spahlinger, Nicolaus A. Huber, Bernhard Lang, Beat Furrer, Georg Friedrich Haas, Zeynep Gedizlioglu und Irene Galindo Quero, wurden dabei eigens für das Aleph Gitarrenquartett geschrieben. Das Quartett gastiert bei den großen Festivals zeitgenössischer Musik und in den wichtigen europäische Auditorien, oft auch in Zusammenarbeit mit Gästen wie Sarah Maria Sun und Daisy Press. Workshops und CD-Einspielungen ergänzen regelmäßig die Ensembletätigkeit.

Biographie

Ensemble Mosaik

Die künstlerische Arbeit des ensemble mosaik baut auf die Kontinuität seiner musikalischen Gemeinschaft, auf forschende Kontinuität, Networking, Kollaborationen mit Künstler:innen aller Sparten, anderen Ensembles und mit Veranstaltern, auf interkulturellen Austausch als Reflexion und Inspiration globaler künstlerischer Anliegen.

 

Seit seiner Gründung 1997 hat sich das ensemble mosaik als besonders vielseitige und experimentierfreudige Formation zu einem renommierten Ensemble für zeitgenössische Musik entwickelt. In ihrer 25jährigen Zusammenarbeit haben die Musiker:innen einen profilierten Klangkörper geschaffen, der auf höchstem künstlerischen Niveau Offenheit gegenüber verschiedensten Konzeptionen zeitgenössischer Musik beweist.

 

Egalitäre Arbeitsstrukturen bilden die Grundlage einer prozesshaften Arbeitsweise im Austausch mit allen an einem Konzertprojekt beteiligten Akteur:innen.

 

http://www.ensemble-mosaik.de
https://www.facebook.com/ensemblemosaik/

Ensemble Mosaik. Ensemble für zeitgenoessische Musik. Berlin, 30.8.2019
Biographie

Nina Guo

Nina Guo singt notierte und improvisierte Musik. In ihrer Arbeit überwiegen Elemente von Theater, Radio und Humor. Zu ihren aktuellen Projekten gehören Departure Duo mit dem Kontrabassisten Edward Kass, Nina&Augustė mit Auguste Vickunaitė auf Tonbandmaschinen und The Entertainment im Berliner Cashmere Radio. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Instrument experimentiert oder Musik studiert, liest sie Essays, lauscht Parks und isst Brot.

Nina Guo
© Cynthia-ël Hasbani
Biographie

Heinrich Horwitz

Heinrich Horwitz (they/them/she/her/he/him) is a choreographer, director and actor*. They studied Theatre Directing and Choreography at the Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin and the HZT Berlin. They staged productions in the free scene realm, at municipal theatres as well as in contemporary classical music. Their works have been invited to the Heidelberg Stückemarkt and Autorenfestival Maximierung Mensch in Trier. For the dance piece Palais idéal they received the Dance and Theatre Prize of the city of Stuttgart and the state Baden-Württemberg. Since 2017 they have been working continously as choreographer and dramaturge with the Decoder Ensemble in Hamburg and with the composers Alexander Schubert, Sarah Nemtsov, Carola Schaal and Leopold Hurt, together with whom they mounted the evening Entitäten for the Elbphilharmonie Hamburg in 2018.
In addition to directing Heinrich has worked continually as an actor and dancer in theatre, film and television. They received the Adolf Grimme Prize for their role in the tv series Bruder Esel. Heinrich has frequently collaborated with Angela Shanelec and and had episode roles in Tatort and Der Bozen Krimi (2019). Since 2016 Heinrich has worked with the performance group The Agency. 2021 they worked on recreating the Amazon Myth in marching in a queer feminist parade through the center of Berlin.
2022 they has held a teaching appointment at AdK Ludwigsburg.

They is one of the 185+ German actors* who had their public Coming Out in Feb. 2021 with the manifesto #ActOut.

Heinrich Horwitz Foto Paulina Hildesheim
Im Fokus

Trailer zu Davor Vincze´s Kammeroper »XinSheng«

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Kurzvorstellung

Komponist Rama Gottfried über »Scenes from the Plastisphere«

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Kurzvorstellung

Komponist Andrés Nuño de Buen über »Leve«

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