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Saed Haddad: Different

Different ist ein Versuch, andere ästhetische Richtungen zu finden, weg von der Ästhetik, die im 20. Jahrhundert etabliert wurde. Obwohl Different in den Jahren 2019-2020 geschrieben wurde, gehört es in die Zeit zwischen 2004-2006, in der ich versucht habe, arabische Musik mit zeitgenössischer westlicher Musik zu synthetisieren.

„Anders“ („different“) ist ein bescheidenes Attribut für jeden kreativen Geist, der nach Unabhängigkeit und Individualität strebt und sich von dem kollektiven Geist, von der in einem bestimmten Bereich, einer Kunst oder einer Epoche vorherrschenden Stilistik oder Denkweise abheben will. Ich finde keine besseren Worte als die folgenden Zitate, um dies auszudrücken:

„Es ist nicht immer gut, mit den Wölfen zu heulen.“ (Debussy)

„Die Andersartigkeit ist das, was sich der Definition entzieht, wenn die Definition etabliert wird.“ (Derrida)

„Der Stil ist der Mensch selbst.“ (Buffon)
Saed Haddad

Biographie

Saed Haddad

Der jordanisch-deutsche Komponist und Dozent Saed Haddad (*1972 in Jordanien) setzte nach einer Ausbildung am katholischen Priesterseminar von Beit-Jala (mit dem Ziel, Priester zu werden) sein Philosophiestudium in Belgien fort und komponierte anschließend in Jordanien, Israel und England.

 

In seinen Werken aus den Jahren 2004-2006 konzentrierte er sich auf eine Synthese zwischen der westlichen und der arabischen Tradition; dies wurde (und wird bis heute) von einem umfassenden Studium der so genannten arabischen Kultur begleitet. Von 2007 bis 2014 befragte Haddad mit Hilfe bestimmter musikalischer Techniken die Idee der Vergessenheit der arabischen Kultur. Sie ermöglichen es, die Erinnerung zu filtern und gleichzeitig Elemente des Vergessens einzuführen. Von 2015 bis heute sieht Haddad in der musikalischen Komposition eine ethische Verantwortung, verbunden mit dem Mitgefühl für menschliches Leid. Neben klareren arabischen musikalischen Spuren (die in gewisser Weise eine Synthese aus den beiden schon genannten Perioden bilden) sind Melancholie, Dunkelheit und einige Schattierungen von blassem Licht hervorstechende Merkmale dieser Periode.

 

Haddads Musik wurde von den renommiertesten internationalen Ensembles und Orchestern in Europa, Nordamerika, Asien, Afrika und Australien in Auftrag gegeben und aufgeführt, u. a. unter der Leitung von Daniel Barenboim, Heinz Holliger und George Benjamin. Seine Arbeit wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, darunter der französische und deutsche Prix de Rome 2008-10, der Preis der deutschen Schallplattenkritik 2010 und ein Auftrag der Koussevitzky Music Foundation – Library of Congress 2014.

Saed Haddad
© privat
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Ying Wang: 528 Hz 8va

Ein schneller, aber angenehm aktiver Herzschlag, ein nicht vergehendes unbewusstes Lächeln, ein sich ständig verändernder Klang, der doch immer genau dorthin führt, wo noch mehr Energie frei wird – so als hätte man ihn selbst gelenkt; das Tempo stets zügig, aber genug Pausen, um durchzuatmen, nie ein schreiender Kontrast, der den Puls abrupt unterbricht.

 

528 HZ 8va stellt sich ganz bewusst und energetisch in den Dienst einer optimistischen Tatsachen- und Weltbetrachtung. Das Stück zielt nicht auf ein Drama aus Höhenflügen und tiefem Fall und es vermeidet schroffe Kontraste. Stattdessen ist es eine Freudenmusik in mehreren ineinandergleitenden Stationen. Dass eine Musik, die aus dem überreichen Fundus positiver Klangkonnotationen und Emotionen schöpft, nicht in New Age Dur-Akkorde oder leeres Bläser-Jubeln driften muss, wird schon nach ein paar Takten des Stückes klar. Euphorische, chaotische Momente finden sich genauso im Stück, wie uns warm umspielende Wiegenmelodien. Aus dem Orchester lösen sich immer wieder solistische Momente heraus, die innerhalb des Klangflusses kleine bewegliche Gruppen bilden und, indem sie uns an der Hand nehmen, durch das Stück führen. Das Stück geht dann in eine sich nach oben schraubende virtuose Kadenz über, in der Material aus allen vorausgegangen orchestralen Glücksmomenten, polyphon verbunden, in einem orgastischen Höhepunkt kulminiert. Musik ist ein Jungbrunnen und soll hier als solcher explizit neu gegraben werden. Ein bisschen wie Mdma ohne Nebenwirkungen.

 

Verjüngt wird nun auch dieses Stück – in einer neuen Fassung mit Elektronik aus dem SWR Experimental Studio. Ying Wang macht sich auf die Suche nach anderen, digitalen Glücksmomente, die hinter jenen analogen stehen, die schon erklungen sind. Darin steckt nichts bloß Zeitgeistiges, sondern der digitale Alltag, nicht nur jener in Zoomlandia. Einzelne Glücksmomente des Stücks werden elektronisch angehalten, sodass man sie länger genießen kann, wie ein digitaler Freezeglitch an der Lieblingsstelle – Coitus extensus. Mancher Moment wird nun auch invertiert, um zu sehen, ob die Freude, die ihm eingeschrieben ist, nicht auch noch anders klingen kann. Auch die Dynamik wird erweitert, alles wird extremer und mehr, das braucht auch einen neuen akustischen Raum, 8 Kanäle also – die Elektronik kann das.
Ying Wang

Biographie

Ying Wang

In ihren Kompositionen beschäftigt sich Ying Wang (1976 in Shanghai) mit Themen wie Umweltverschmutzung, globalen sozialen Missstände, politischer Verfolgung oder dem Verhältnis des Menschen zur Technologie. Sie sucht in ihrer Arbeit stets neue Schnittstellen zu anderen Medien und Künsten wie Tanz, Video, digitale Kunst, Licht, bildende Kunst und Performance.

 

Ying Wang kam 2003 aus Shanghai zunächst nach Köln und schließlich nach Berlin. Sie hat mit zahlreicheichen Orchestern und Ensembles in Europa sowie Asien zusammengearbeitet. 2013 wurden ihr der Produktionspreis des Giga-Hertz-Preises und der Komponistenpreis der 5. Brandenburger Biennale verliehen. Neben dem IEMA-Stipendium 2009/10 erhielt sie weitere Stipendien vom Experimentalstudio des SWR, vom Bundesministerium Wien und auf Vorschlag von Peter Eötvös vom Herrenhaus Edenkoben. 2014 gewann sie den 35. Irino prize für Kammerorchester in Tokio. 2015 lud der Deutschlandfunk sie als „Composer in residence“ zum Festival „Forum Neuer Musik“ in Köln ein. 2017 erhielt sie den Heidelberg Künstlerinnenpreis. 2020 war sie Stipendiatin der Deutschen Akademie in Rom.

 

Ying WANG absolvierte ihr Kompositionsstudium bei York Höller, Rebecca Saunders und Johannes Schöllhorn an der HfMT Köln. Elektronische Komposition studierte sie bei Michael Beil. 2010 schloss sie den Masterstudiengang für Zeitgenössische Musik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt im Rahmen eines Stipendiums der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA) ab. 2012 nahm sie am Cursus de Composition et d’informatique musicale/Ircam Paris teil.

Foto: Veranstalter
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Volker Heyn: Ferro Canto

Anstelle eines Kommentars
(an Josef Häusler, den damaligen Redakteur für Neue Musik des SWF Baden-Baden)

 

Hey Joe, was soll einer sagen über seine Musik?… / Vielleicht erst mal spielen und hören, / 247 Takte Musik spielen und hören und dann was sagen?… / Berichten über kalkuliertes Konstrukt-Destrukt / und Klang und Zeit-Sachen, über Zweifel-Zaudern?… / Was sagen, nachdem die Gerüste abgebrochen sind? / Hey Joe, was ich bestenfalls vermag, ist die Erklärung des Titels: / Ferro Canto singt von dem Manne, der Ecke George Street und / Town Hall, Sydney, saß, und mit schweren Holzstöcken / auf eine Eisentrommel einschlug. / So vehement tat er’s, als wäre die Trommel die / Verkörperung dessen, was ihn peinigt… / aber auch sein letzter eiserner Schutzpanzer. / Dabei stampfte er und schrie passierende Gaffmenschen an / und sprachbrüllte vom / »bissigen Spätherbst der weißglühenden Säue« / und verkündete, dass er, der er eigentlich ein froher Mensch sei, / gerne auch ein glücklicher geworden wäre; aber / dass es dazu hier und jetzt zu spät geworden sei. / Oh nein, kein Straßenmusikant mit schickem Protestlied oder selbstgefälliger Verweigerung. / Nein, seine Töne waren finale Zeichen (Signale) / des Verzagens, Töne der Verzweiflung an einer stumpf-tumben Menschenwelt im Scheitern. / Und von seiner Unfähigkeit sang er, / dieser Welt blitzsauber-konformes Lied mitzusingen. / Kein Verrückter, wie wir’s gerne hätten; / eher einer im Prozess des Erkennens. / Eher einer, der–vom Dämon der Erkenntnis geritten – / dennoch zum Aufbruch bläst.
Frei nach J.H. (Jimi Hendrix) an J.H: (Josef Häusler)
Volker Heyn 1989

 

Biographie

Volker Heyn

Volker Heyn (*1938 in Karlsruhe) emigrierte 1959 nach Australien. Dort schaffte er sich eine Tonbandmaschine an und experimentierte mit den sogenannten „hard and soft edges of reverberating metal“ als Beobachtung von unberechenbaren sowohl non-lyrischen als auch poetischen Aspekten von zufälligen Klangereignissen. 1960-63 studierte er an der Sawitzkys Actors School in Melbourne und war Mitglied einer Theater-Wandergruppe. 1966-71 folgte ein Gitarrenstudium bei Antonio Losada in Sydney, bei Don Andrews am Sydney Conservatory lernte er Musiktheorie. 1972 kehrte Volker Heyn nach Europa zurück und studiere in Karlsruhe Gitarre bei Mario Sicca und Komposition bei Werner Eugen Velte, in dessen Gruppe für Kreative Musik er Mitglied wurde. Seit 1979 ist er freischaffender Komponist. Stipendien erhielt er u.a. durch die Kunststiftung Baden-Württemberg, die Heinrich Strobel Stiftung des SWF, die Rolf Liebermann und die Körber Stiftung sowie den Musikfonds Neustart Kultur. Seine Werke wurden bei zahlreichen Festivals für Neue Musik uraufgeführt.

Biographie

Pedro Carneiro

Biographie

Thomas Hummel

Biographie

SWR Symphonieorchester

Das SWR Symphonieorchester hat in der Liederhalle Stuttgart und im Konzerthaus Freiburg sein künstlerisches Zuhause. Im September 2016 aus der Zusammenführung des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR und des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg hervorgegangen, zählen Interpretationsansätze aus der historisch informierten Aufführungspraxis, das klassisch-romantische Kernrepertoire sowie Musik der Gegenwart gleichermaßen zu seinem künstlerischen Profil. Seit der Saison 2018/2019 steht mit Teodor Currentzis einer der international gefragtesten Dirigenten als Chefdirigent an der Spitze des Symphonieorchesters. Zur Saison 2025/2026 übernimmt François-Xavier Roth diese Position.

 

Zu den jährlichen Fixpunkten im Konzertkalender des SWR Symphonieorchesters zählen die SWR eigenen Konzertreihen in Stuttgart, Freiburg und Mannheim sowie Auftritte bei den Donaueschinger Musiktagen und den Schwetzinger SWR Festspielen. Seit 2020 ist das SWR Symphonieorchester das Residenzorchester der Pfingstfestspiele im Festspielhaus Baden-Baden. Einladungen führen das Orchester regelmäßig zu den Salzburger Festspielen, in die Elbphilharmonie Hamburg, nach Berlin, Köln, Frankfurt, Dortmund, Essen, Wien, Edinburgh, London, Barcelona, Madrid und Warschau.

 

International gefragte Dirigenten wie Herbert Blomstedt, Peter Eötvös, Christoph Eschenbach, Sir Roger Norrington, Jakub Hrůša, Eliahu Inbal, Ingo Metzmacher, Kent Nagano, Michael Sanderling, Pablo Heras-Casado, Jonathan Nott, François-Xavier Roth, Dima Slobodeniouk und David Zinman haben mit dem SWR  Symphonieorchester zusammengearbeitet. Unter den hochkarätigen Solist:innen finden sich Patricia Kopatchinskaja, Antoine Tamestit, Gil Shaham, Nicolas Altstaedt, Vadym Kholodenko, Martin Grubinger und Isabelle Faust als Artists in Residence sowie viele weitere namhafte Gäste, darunter Hilary Hahn, Sabine Meyer, Julia Fischer, Yulianna Avdeeva, Renaud Capuçon, Anna Vinnitskaya, Janine Jansen, Mischa Maisky, Vilde Frang und Fazil Say.

 

Mit seinem umfangreichen Musikvermittlungsangebot erreicht das SWR Symphonieorchester jährlich etwa 15.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Sendegebiet des SWR. Zahlreiche Live-Übertragungen in SWR2 und Konzertstreams auf SWR.de/so ermöglichen vielen Musikfreunden in der ganzen Welt, an den Konzerten des Symphonieorchesters teilzuhaben.

 

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