LR
Hannah und Ulrich, Ihr habt Euer Duo-Projekt »Zurück in der Zukunft« genannt. Ich behaupte mal, dieser Titel weckt bei nicht wenigen Menschen Assoziationen zu der fast gleichnamigen Science-Fiction-Filmtrilogie aus den 1980er Jahren: »Zurück in die Zukunft«. Das war doch sicherlich Absicht, oder?
HW
Natürlich ist das Absicht, denn auch die Projektidee weist ebenso zurück wie nach vorne: Wir spielen neue Kompositionen auf »alten« Instrumenten. Und in diesem Fall sind es neben der Geige verschiedene analoge E-Pianos, Synthesizer und Elektroorgeln aus den 1970er und 80er Jahren …
LR
… elektronische Musikinstrumente, denen heute vielleicht ein nostalgischer Charme anhaftet, die aber zur Zeit ihrer Entstehung noch für das Potenzial des »Nie-Gehörten« standen.
HW
Genau, und das Nie-Gehörte bringen wir ja jetzt wieder auf die Bühne–mit eigens für unsere Besetzung und unsere Klangerzeuger entstandenen Stücken von fünf Komponistinnen und Komponisten.
UL
Mir ist es vor allem ein Anliegen, Instrumente wie zum Beispiel das Hohner Clavinet, die Philicorda oder auch das Fender Rhodes Piano auf eine klassische Konzertbühne zu bringen. Denn dort hat man diese Geräte bisher kaum gesehen und gehört. Man kennt sie eher aus anderen Genres wie Pop, Rock, Jazz oder Blues. Mir selbst geht es allerdings nochmal anders: Wenn ich einen Akkord auf dem Rhodes Piano anschlage, denke ich nicht automatisch an einen Song von Supertramp oder ähnliches. Sondern für mich hat das Instrument einen sehr individuellen Klang. Es ist ein lebendiges, fleischiges, körperliches Klang- und Grifferlebnis beim Spielen. Das könnte natürlich auch damit zu tun haben, dass ich die Instrumente schon seit Jahrzehnten spiele. Damals musste ich viele von ihnen verkaufen, da ich mir einen Konzertflügel anschaffen wollte und Geld brauchte. Ich erinnere mich, wie mich ein Freund ermahnte: »Den Minimoog darfst Du nicht verkaufen!« Und ihn habe ich tatsächlich als einziges Instrument behalten.
Später habe ich mir dann all die anderen Instrumente nach und nach wieder angeschafft. Viele Leute um mich herum fragten: »Was willst Du mit dem alten Kram?« Aber für mich war die Entscheidung klar: Die Instrumente klingen toll–nicht wie irgendetwas, das man einfach mit dem Computer nachstellen oder unkompliziert samplen kann. Es sind wirklich eigenständige Instrumente.
LR
Die Komponistinnen und Komponisten in Eurem Programm kommen aus unterschiedlichen Generationen. Schlägt sich das in irgendeiner Form in den Stücken nieder? Merkt man, wer von ihnen einen vielleicht unmittelbareren Bezug zu den Instrumenten hat; einfach durch die größere zeitliche Nähe zu ihrer Entstehungsphase?
HW
Da bin ich nicht sicher, denn alle fünf haben sich sehr intensiv mit den Instrumenten auseinandergesetzt. Dariya Maminova ist mit ihrem Geburtsjahrgang 1988 die jüngste Komponistin im Programm. Für sie mag der Minimoog anfangs am wenigsten vertraut gewesen sein. Trotzdem hat sie ganz wunderbare Klänge auf dem Instrument gefunden.
Witzig war allerdings, dass sie für die Kompositionsphase eine Software-Emulation verwendet und deshalb nicht daran gedacht hat, dass es immer einige Zeit dauert, bis der Minimoog in eine neue Einstellung gekommen ist. Es hat sich also erst beim Proben gezeigt, dass bestimmte Wechsel nicht so schnell stattfinden können wie erhofft. Gleichzeitig ist es aber besonders spannend zu sehen, mit welcher Frische sie an das Instrument herangegangen ist.
UL
Dariya gehört auch jener Generation an, die die Klangwelt der alten analogen Geräte eher aus dem Internet kennt als aus dem richtigen Leben. Umso schöner sind dann die Momente, in denen ich ihr zum Beispiel ein Band-Echo vorgeführt habe. Die Faszination stand ihr unmittelbar ins Gesicht geschrieben. Wie sie das Band beim Laufen mit großen Augen verfolgt hat, hat mich daran erinnert wie ich als Kind bestimmte Dinge zum ersten Mal gesehen und bestaunt habe.
Das Besondere an all diesen Maschinen ist, dass sie so lebendig sind. Milica Djordjević beispielsweise arbeitet in ihrem Stück mit einer Orgel, der Yamaha YC-45D. Das ist ein zweimanualiges Instrument von 1972 mit irrsinnig innovativen Funktionen: Es gibt einen Ribbon Controller mit dem man Glissandi spielen kann. Die Tastatur hat eine Anschlagsdynamik und es lässt sich sogar Vibrato spielen, wenn man den Finger auf der Taste bewegt.
LR
Ein nochmal anderes, besonderes Instrument kommt auch in dem Stück von Oxana Omelchuk zum Einsatz, oder?
UL
Ja, das ist ein analoger Nachbau eines alten Synthesizers, den es seit fünfzig Jahren nicht mehr gibt: der ARP 2600. Das ist ein halbanaloger Kasten, den Oxana–neben dem Fender Rhodes–in ihrem Stück einsetzt. Die Besonderheit ist hier, dass Hannah und ich unsere beiden Instrumente per Kabel mit diesem Synthesizer verbinden. Rhodes und E-Geige laufen also über das Gerät, das uns etliche zusätzliche Modulations- und Filtermöglichkeiten bietet. Und was mir in der Musik von Oxana besonders gefällt, ist, dass sie keine Angst vor populär klingenden Sounds hat. Was sie für die Instrumente erfindet, klingt einerseits wie nie gehört und andererseits doch irgendwie bekannt. Und diese musikalischen Zwischenzustände finde ich unglaublich interessant und packend.
LR
Bei all den alten elektronischen Instrumenten stellt sich mir die Frage, wie eigentlich die Geige dort hineinpasst? Ihr spielt ja auch oft im Duo mit Geige und Klavier, aber da arbeitet ihr mit völlig anderen klanglichen Mischverhältnissen und auch mit anderem Repertoire.
HW
Das stimmt, Geige und elektronische Tasteninstrumente, das ist eine andere Kombination. Das erste Stück in dieser Richtung hatte damals Eivind Buene für uns komponiert–noch bevor uns selbst klar war, dass wir ein ganzes Projekt daraus machen würden. Zu der Zeit besaß ich noch keine E-Geige, deshalb hat Eivind sein Stück für Minimoog und herkömmliche Geige geschrieben. Ich erinnere mich, dass ich Bedenken hatte, ob sich das überhaupt mischen würde. Aber es hat gut funktioniert.
Irgendwann habe ich mir dann eine fünfsaitige E-Geige angeschafft und die nächsten Stücke, die im laufe der Zeit entstanden sind–von Gordon, Dariya und Milica–sind alle für E-Geige geschrieben. Denn auch für die Komponistinnen und Komponisten war das Instrument zum Teil Neuland und sie wollten sich unbedingt damit beschäftigen. Inzwischen habe ich außerdem einen ganzen Fuhrpark an Effektgeräten angesammelt, so dass auch meine klanglichen Ausdrucksmöglichkeiten kontinuierlich mehr werden.
UL
Das stimmt, im Grunde besitzt Hannah inzwischen alles, was ein Gitarrist in einer Band so braucht.
LR
Wenn man allerdings bedenkt, dass Ihr nur als Duo auftretet, dann ist das doch ein irrsinnig großer Transportaufwand–im Verhältnis zu dieser kleinstmöglichen Kammermusikbesetzung. Blöde Journalistenfrage: Lohnt sich das?
HW
Ganz klar: Ja! Außerdem gibt dieser Aufbau mit all den Geräten und historischen Instrumenten ein wunderbares Bühnenbild her.
UL
Was ist das bitte für eine Frage?!
Natürlich lohnt sich das.