One line

Aya Metwalli: cabaret macabre

für vier Frauenstimmen und Elektronik

(2021)

Cabaret Macabre ist eine Wiedergabe eines klassischen Kabarett-Songs aus den 20er Jahren der legendären ägyptischen Sängerin Mounira Al-Mahdiya. Geboren 1885, studierte sie in einer Schwesternschule und begann danach ihre Karriere als Sängerin in den lokalen Kabaretts der Al-Azbakiyah-Nachtclubs in Kairo. In den zwanziger und dreißiger Jahren blühte in Ägypten eine lebendige Musik-, Theater-, Film- und Kabarettszene auf, die eine Form des Liedes hervorbrachte, dessen Texte gewagt sexuell waren, mit einigen Pionieren in diesem Genre; Mounira Al-Mahdiya war eine von ihnen. Dieses Genre kann als ein Spiegelbild des Status quo jener Zeit betrachtet werden. Einigen Heimatforschern zufolge begann die Verbreitung der Kabarettkunst in Ägypten nach dem Scheitern der Revolution von 1919 und einem allgemeinen Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das sich über das Land legte und eine hedonistische Lebenseinstellung inspirierte, die sich auch in der Kunst widerspiegelte. Lieder, die sexueller Natur sind, sind keine neue Form in der ägyptischen Kunst und gehen nicht nur auf die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, sondern auch auf die ägyptische Folklore und sogar auf die altägyptische Kultur, in der Musik und Tanz eine beliebte Form der Unterhaltung in ganz Ägypten darstellten und gleichermaßen mit der Erhöhung der religiösen Hingabe, der menschlichen Sexualität und den irdischen Vergnügungen verbunden waren. Sexualität und Sinnlichkeit waren auf die eine oder andere Weise schon immer ein integraler Bestandteil der ägyptischen lyrischen und musikalischen Identität, und doch verschwanden sie den frühen vierziger Jahren mehr und mehr, nachdem ein nationaler Radiosender ins Leben gerufen und ein Zensurbüro eingerichtet worden waren. Seitdem hat sich die ägyptische Kunstidentität langsam in ein Phantom ihrer selbst verwandelt; ein verdrängtes, hässliches, deformiertes Phantom, das seines eigenen Ethos beraubt ist; ein Cabaret Macabre.

(Aya Metwalli)