One line
19
So 06.02.22
17:00Uhr
Theaterhaus, T3

LIMBO

Verzehren und Sich-Verzehren als Metapher: vom sehnsuchtsvollen, fast allegorischen Speisen zum »blutrünstigen Verzehren« über das »Verzehrt-Werden« zum »Sich-Opfern« als grimmige Katharsis. Ähnlich existentiell wie Sven Ingo Kochs gemeinsam mit dem Lyriker Jan Wagner geschriebene »Simple Songs & Lieder des Verzehrens« sind auch vier weitere Zyklen, die die Ausnahmekünstlerin Viktoriia Vitrenko für ihr Projekt LIMBO in Auftrag gegeben hat. Das Bild der sich selbst am Klavier begleitenden Sängerin als intimster auf sich selbst konzentrierter Ausdruck beschreibt den »Limbo«, den Schwebezustand, in den uns die Pandemie versetzt hat. Mehr Song als Kunstlied, enthüllen die Vokalwerke verschiedene psychologische Zustände des Dazwischen-Seins, wobei die fast autistische Haltung der Solistin im krassen Gegensatz zur close-up Perspektive steht, die das lokale und digital anwesende Publikum durch die fast voyeuristische Kameraführung einnimmt. Das hybride Spiel über Nähe und Distanz, Einsamkeit und globale Verortung spiegelt nicht nur die Situation der Künstlerin in pandemischer Abgeschlossenheit wider, sondern auch die Isolation der Widerstandskämpferin in der Gefängniszelle: LIMBO ist der belarusischen Kollegin und Freundin Maria Kalesnikava gewidmet, die jüngst zu 11 Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. Das Thema des irrationalen Schwebezustands bekommt damit eine dramatische, sehr reale Dimension.

Viktoriia Vitrenko
© Oliver Röckle

Das Projekt wird realisiert mit Unterstützung durch den
Musikfonds/Die Beauftragte der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Programm NEUSTART KULTUR