One line

Liza Lim: Shallow grave

für neolithisches Keramikhorn / Trompete

(2023)

Es gibt ein Bild, das mir im Gedächtnis haften bleibt: März 2022, zwölf Tage nach Beginn des Krieges in der Ukraine: Eine Militärblaskapelle steht um einen Bombenkrater herum und spielt in das Loch hinein. Das Bild hallt in unserer Zeit der extremen und oft unbegreiflichen Gewalt nach, und ich habe viel über die Kraft der Musik nachgedacht, die es ermöglicht, ein Loch im Boden anzusprechen und aus dem, was zerstört wurde, neue Lebensenergie hervorzuholen. Die Kraft der Musik, mit den Toten zu sprechen, in der Zeit zurückzugehen, Übergänge für die Lebenden zu schaffen, Musik als lebendiger Knoten in der Zeit zwischen den Ahnen und den Ungeborenendas sind einige grundlegende Themen der jüngsten Arbeit.

Shallow Grave besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil spielt Marco Blaauw ein »neolithisches« Horn, eine Nachbildung eines 3000 Jahre alten Terrakotta-Horns, das in einem Felsenunterstand in Vallabrix, Südfrankreich, ausgegraben und vom Keramikkünstler André Schlauch im Rahmen des Projekts European Music Archaeology hergestellt wurde. Es hat die Form eines Tierhorns, aber ich sehe es eher als einen Erdklumpen mit Mund. Der zweite Teil des Stücks, für die tiefe Alttrompete in F, ist eine Musik mit bitterem und sardonischem Humor für ein imaginäres Kasperletheater.

Liza Lim